Landschaftsbilder
Text von Stefan Skowron
Schon frühe Arbeiten aus den 1980er Jahren, als Yuriy Ivashkevich noch studierte um Kunsterzieher zu werden, offenbaren einen nicht nur technisch versierten, sich seiner eigenen Mittel bewussten Künstler, sondern zugleich einen Suchenden, der sich weder stilistisch noch motivisch festlegen will. Auch in den Jahren seines Kunststudiums und erst recht danach wird sich das fortsetzen: Für Yuriy Ivashkevich gibt es nicht den Stil, nicht die Art und Weise der Entäußerung, an dem man ihn erkennen, über die man ihn identifizieren und zugleich katalogisieren könnte. Er spielt mit den gegebenen Möglichkeiten aus Tradition und Moderne. Er abstrahiert mit Leichtigkeit jedwede Form oder Gestalt, ohne dass deren Identität oder Charakter verloren ginge. Genauso gut seziert er aber auch die Details eines Objekts, der Natur, bis hin zu einer herrlichen eineindeutigen Wiedergabe, für die das Wort Reproduktion geradezu leblos klänge.
In gleicher Weise virtuos beherrscht Yuriy Ivashkevich auch sein wichtigstes Mittel – die Farbe. Ihr Vortrag auf dem Geviert ist allein schon ein ebenso abwechslungsreiches wie überraschend großartiges Seherlebnis. Ob sie gewischt oder gerakelt, mit dem Pinsel oder dem Spachtel aufgetragen wird, ist dabei völlig unerheblich. Yuriy Ivashkevich weiß, was und vor allem wie er etwas tun muss, um aus bisweilen ganz wenigen Tönen und Nuancen endlos weite Landschaften, prächtig leuchtende Himmelsschauspiele oder auch tief ergreifende Andachtsbilder zu schaffen. Daran hat sich bis heute nichts verändert – und das ist gut so!
Obschon für manchen von uns diese Verschiedenheit irritierend sein mag. Weil wir es gewohnt sind, in gefügten Kategorien zu denken und zu sehen. Weil uns diese Beständigkeit Sicherheit gibt bei unserer Urteilsfindung. Doch hat nicht zuletzt ein Künstler wie Gerhard Richter bewiesen, dass die Vielfalt nicht das Ende der Qualität sein muss? – Fürwahr, Vergleiche wie diese hinken nicht nur, sie lahmen in jedweder Hinsicht. Doch warum sollten wir dem einen den permanenten Wechsel zugestehen, der noch dazu sich in marktzyklischen Abständen wiederholt, und dem anderen nicht?
Innerhalb des Œuvres von Yuriy Ivashkevich lässt sich die Qualität seiner Kunst insbesondere am Beispiel seiner Landschaften beweisen. Zum einen zeigt sich hier sehr deutlich die Fähigkeit des Malers, mit einfachen vulgo narrativen Mitteln die tatsächlich sehr komplexe Welt seiner Bilder dem Betrachter zu erschließen.
So finden sich auf einigen seiner aktuellen, zwischen abstrakter Farbmalerei und fantastischem Naturporträt siedelnden Arbeiten kleine, oft mit nur wenigen Strichen und kleinsten Farbfeldern angedeutete, manchmal in die bewegten Schichten der Farben nachgerade wie hineingeschobene Figuren, zu sehen etwa auf der quadratischen Ölskizze „Winter“ (2010) oder auch auf den eher geheimnisvollen Blättern „Tauwetter in der Stadt“ (2010) und „Herbst II“ (2013). Nun schrieb schon Anfang des 19. Jahrhunderts der Arzt, Maler und Naturforscher Carl Gustav Carus im dritten seiner „Neun Briefe über die Landschaftsmalerei“ davon, dass eine menschliche Gestalt, etwa ein Jäger oder ein Pilger, „den Beschauer des Bilder“ dazu anregen könne, „sich an dessen Stelle zu denken“. Carus: „der Pilger wird die Idee der Ferne, ja das Nichtzuermessende der Erdfläche uns zurückrufen“. Will sagen, die tatsächlichen Dimensionen einer (gemalten) Landschaft, ihre Dramatik wie ihre Schönheit, vielleicht auch ihre Unwirtlichkeit oder Bedrohlichkeit, nicht zuletzt jedoch ihre ikonologische Bedeutung sind auf diese Weise für den Bildbeschauer besser, vermutlich schneller erkennbarer, nachvollziehbarer. Und zwar allein durch dieses kleine narrative Element einer menschlichen Gestalt, das, dort inmitten einer Landschaft rein aus Farbe eher undeutlich beschrieben aber dennoch absichtsvoll platziert, uns zur Identifikation einlädt.
Zum zweiten sind es gerade seine Landschaftsbilder, die Yuriy Ivashkevich als Meister der Farbe beweisen. Wobei hier nicht nur ihr Nuancenreichtum und ihre gelegentliche expressive Fantastik gemeint sind, siehe zum Beispiel „Herbstliche Rhapsodie“ oder auch „Vergessenes Dorf“ (beide 2010). Es geht mir hierbei besonders um ihren schon erwähnten Vortrag. Bilder wie „Westwind“ und „Der Herbst“ (ebenfalls beide 2010) oder „Bei Tagesanbruch“ (2013) und nicht zuletzt die Suite „Reise des Träumers“ (2013) bezeugen eine Malerei, die dem Material Farbe alle Freiheiten überlässt, ihr durch Volumen, Duktus und Struktur nicht nur eine unübersehbare materielle (körperliche), sondern zugleich eine ideelle Präsenz und Bedeutung überlässt. Alle Gegenständlichkeit auf den Bildern, die vegetabilen Formen, auch die Architekturen sowie die großen Landschaftsformationen, und nicht zuletzt sowohl die gesetzten Figuren als auch die angedeuteten Figurine entstehen rein aus der Farbe und einer Bewegung heraus, die in ihrem Vortrag zu finden ist. Dieser scheint gelegentlich etwas rauschhaft, von enormer Vitalität und gegenläufiger Dynamik zu sein – indes ist er niemals arrogant oder gar narzisstisch! Yuriy Ivashkevich weiß ganz offensichtlich um die Macht der Farben, dass sie ein Bild formen, es erst entstehen lassen aber auch zerstören können. Und er weiß, dass er handwerkliche Zitate im Umgang mit der Farbe wie in „Herbst im Garten“ (2012) nur sparsam einsetzen darf; dass Anverwandlungen, wie sie uns in „Abendliche Impression“ (2012) vor Augen treten, ihn nicht vom eigenen Ziel abhalten sollten. So fühlen wir uns zwar hier an Gerhard Richter und dort an William Turner erinnert, doch keineswegs entscheidend herausgefordert. Eher dass wir es genießen können, zu welchen neuen Bilderfindung es führen kann, seinen eigenen Augen zu trauen.
Die Landschaft gehört heute zweifelsohne zu den schwierigsten Topoi der Kunst. Gerade weil sie in gewisser Weise einen Alltagstoff darstellt, dem, gesehen und im selben Moment übersehen und vergessen, weder die Mittel noch die Kraft zugestanden werden, den aktuellen Befindlichkeiten synonym entgegenzutreten. Allenfalls als Prospekt, vor dem sich größere Ideen und Gedanken inszenieren lassen, siehe zuletzt die Serie von Gemälden zum Grundgesetz von Markus Lüpertz (2012), tritt sie aktuell in Erscheinung. Sonst ist sie kein großartig behandeltes Thema. Sie gehört zum Œuvres mancher Maler wie eine weitere künstlerische Technik, etwa die Grafik. Yuriy Ivashkevich freilich geht es in seinen Landschaftsbildern wahrlich um mehr. Ihr grandioses Kolorit, ein ebenso enthusiastischer wie sehr sicherer Farbvortrag und nicht zuletzt die vielen kleinen, fast verborgenen narrativen Identifikationen für den Betrachter stehen in der Tradition der Landschaft als Weltlandschaft, in der Tradition der, sich bei Carl Gustav Carus schon andeutenden und durch Wilhelm Fraenger schließlich formulierten Erdlebenkunst. Wie viel mehr ließe sich von der Landschaftsmalerei erwarten, als dass sie sich zu einem Weltenbild entwickelte? Bis dass sie sich auflöste in einem einzigen, alles umschließenden (Farb-)Raum, wie in Ivashkevichs faszinierenden Andachtsbildern … Aber das wäre ein Thema für einen neuen Aufsatz.
In gleicher Weise virtuos beherrscht Yuriy Ivashkevich auch sein wichtigstes Mittel – die Farbe. Ihr Vortrag auf dem Geviert ist allein schon ein ebenso abwechslungsreiches wie überraschend großartiges Seherlebnis. Ob sie gewischt oder gerakelt, mit dem Pinsel oder dem Spachtel aufgetragen wird, ist dabei völlig unerheblich. Yuriy Ivashkevich weiß, was und vor allem wie er etwas tun muss, um aus bisweilen ganz wenigen Tönen und Nuancen endlos weite Landschaften, prächtig leuchtende Himmelsschauspiele oder auch tief ergreifende Andachtsbilder zu schaffen. Daran hat sich bis heute nichts verändert – und das ist gut so!
Obschon für manchen von uns diese Verschiedenheit irritierend sein mag. Weil wir es gewohnt sind, in gefügten Kategorien zu denken und zu sehen. Weil uns diese Beständigkeit Sicherheit gibt bei unserer Urteilsfindung. Doch hat nicht zuletzt ein Künstler wie Gerhard Richter bewiesen, dass die Vielfalt nicht das Ende der Qualität sein muss? – Fürwahr, Vergleiche wie diese hinken nicht nur, sie lahmen in jedweder Hinsicht. Doch warum sollten wir dem einen den permanenten Wechsel zugestehen, der noch dazu sich in marktzyklischen Abständen wiederholt, und dem anderen nicht?
Innerhalb des Œuvres von Yuriy Ivashkevich lässt sich die Qualität seiner Kunst insbesondere am Beispiel seiner Landschaften beweisen. Zum einen zeigt sich hier sehr deutlich die Fähigkeit des Malers, mit einfachen vulgo narrativen Mitteln die tatsächlich sehr komplexe Welt seiner Bilder dem Betrachter zu erschließen.
So finden sich auf einigen seiner aktuellen, zwischen abstrakter Farbmalerei und fantastischem Naturporträt siedelnden Arbeiten kleine, oft mit nur wenigen Strichen und kleinsten Farbfeldern angedeutete, manchmal in die bewegten Schichten der Farben nachgerade wie hineingeschobene Figuren, zu sehen etwa auf der quadratischen Ölskizze „Winter“ (2010) oder auch auf den eher geheimnisvollen Blättern „Tauwetter in der Stadt“ (2010) und „Herbst II“ (2013). Nun schrieb schon Anfang des 19. Jahrhunderts der Arzt, Maler und Naturforscher Carl Gustav Carus im dritten seiner „Neun Briefe über die Landschaftsmalerei“ davon, dass eine menschliche Gestalt, etwa ein Jäger oder ein Pilger, „den Beschauer des Bilder“ dazu anregen könne, „sich an dessen Stelle zu denken“. Carus: „der Pilger wird die Idee der Ferne, ja das Nichtzuermessende der Erdfläche uns zurückrufen“. Will sagen, die tatsächlichen Dimensionen einer (gemalten) Landschaft, ihre Dramatik wie ihre Schönheit, vielleicht auch ihre Unwirtlichkeit oder Bedrohlichkeit, nicht zuletzt jedoch ihre ikonologische Bedeutung sind auf diese Weise für den Bildbeschauer besser, vermutlich schneller erkennbarer, nachvollziehbarer. Und zwar allein durch dieses kleine narrative Element einer menschlichen Gestalt, das, dort inmitten einer Landschaft rein aus Farbe eher undeutlich beschrieben aber dennoch absichtsvoll platziert, uns zur Identifikation einlädt.
Zum zweiten sind es gerade seine Landschaftsbilder, die Yuriy Ivashkevich als Meister der Farbe beweisen. Wobei hier nicht nur ihr Nuancenreichtum und ihre gelegentliche expressive Fantastik gemeint sind, siehe zum Beispiel „Herbstliche Rhapsodie“ oder auch „Vergessenes Dorf“ (beide 2010). Es geht mir hierbei besonders um ihren schon erwähnten Vortrag. Bilder wie „Westwind“ und „Der Herbst“ (ebenfalls beide 2010) oder „Bei Tagesanbruch“ (2013) und nicht zuletzt die Suite „Reise des Träumers“ (2013) bezeugen eine Malerei, die dem Material Farbe alle Freiheiten überlässt, ihr durch Volumen, Duktus und Struktur nicht nur eine unübersehbare materielle (körperliche), sondern zugleich eine ideelle Präsenz und Bedeutung überlässt. Alle Gegenständlichkeit auf den Bildern, die vegetabilen Formen, auch die Architekturen sowie die großen Landschaftsformationen, und nicht zuletzt sowohl die gesetzten Figuren als auch die angedeuteten Figurine entstehen rein aus der Farbe und einer Bewegung heraus, die in ihrem Vortrag zu finden ist. Dieser scheint gelegentlich etwas rauschhaft, von enormer Vitalität und gegenläufiger Dynamik zu sein – indes ist er niemals arrogant oder gar narzisstisch! Yuriy Ivashkevich weiß ganz offensichtlich um die Macht der Farben, dass sie ein Bild formen, es erst entstehen lassen aber auch zerstören können. Und er weiß, dass er handwerkliche Zitate im Umgang mit der Farbe wie in „Herbst im Garten“ (2012) nur sparsam einsetzen darf; dass Anverwandlungen, wie sie uns in „Abendliche Impression“ (2012) vor Augen treten, ihn nicht vom eigenen Ziel abhalten sollten. So fühlen wir uns zwar hier an Gerhard Richter und dort an William Turner erinnert, doch keineswegs entscheidend herausgefordert. Eher dass wir es genießen können, zu welchen neuen Bilderfindung es führen kann, seinen eigenen Augen zu trauen.
Die Landschaft gehört heute zweifelsohne zu den schwierigsten Topoi der Kunst. Gerade weil sie in gewisser Weise einen Alltagstoff darstellt, dem, gesehen und im selben Moment übersehen und vergessen, weder die Mittel noch die Kraft zugestanden werden, den aktuellen Befindlichkeiten synonym entgegenzutreten. Allenfalls als Prospekt, vor dem sich größere Ideen und Gedanken inszenieren lassen, siehe zuletzt die Serie von Gemälden zum Grundgesetz von Markus Lüpertz (2012), tritt sie aktuell in Erscheinung. Sonst ist sie kein großartig behandeltes Thema. Sie gehört zum Œuvres mancher Maler wie eine weitere künstlerische Technik, etwa die Grafik. Yuriy Ivashkevich freilich geht es in seinen Landschaftsbildern wahrlich um mehr. Ihr grandioses Kolorit, ein ebenso enthusiastischer wie sehr sicherer Farbvortrag und nicht zuletzt die vielen kleinen, fast verborgenen narrativen Identifikationen für den Betrachter stehen in der Tradition der Landschaft als Weltlandschaft, in der Tradition der, sich bei Carl Gustav Carus schon andeutenden und durch Wilhelm Fraenger schließlich formulierten Erdlebenkunst. Wie viel mehr ließe sich von der Landschaftsmalerei erwarten, als dass sie sich zu einem Weltenbild entwickelte? Bis dass sie sich auflöste in einem einzigen, alles umschließenden (Farb-)Raum, wie in Ivashkevichs faszinierenden Andachtsbildern … Aber das wäre ein Thema für einen neuen Aufsatz.