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Rede zur Ausstellung „Heimkehr“ von YuriY Ivashkevich
Am Donnerstag, 15. April 2010, 19.00 Uhr
In der Alten Kirche Hornau von
Dr. Beate Maria Matuschek, Kunsthistorikerin und Kulturreferentin der Stadt Kelkheim
Yuriy Ivashkevichs Kreativität kennt keinen Stillstand, stets zeigen seine Arbeiten neue stilistische, technische und inhaltliche Entwicklungen als befände sich der Künstler in einem fortwährenden künstlerischen Prozess.
Als der Künstler vor fünf Jahren von Minsk in Weißrussland nach Kelkheim zog, besuchte er das Kulturreferat und stellte hier seine Arbeiten vor. Es folgte eine erste Ausstellung in unserer Galerie der Stadt Kelkheim, Einzel- und Gruppenausstellungen im Main-Taunus Kreis.
Wir schätzen uns glücklich, dass Yurij Ivashkevich die Kunstszene unserer Region mit seinen hochprofessionellen, sensiblen und intelligenten Arbeiten bereichert.
Als ehemaliger Dozent an der Staatlichen Kunstakademie in Minsk setzt er zudem seit 2005 auch als Lehrer Impulse bei einer Vielzahl von Schülern und Kunstinteressierten in Kelkheim und Umgebung.
Unter dem Titel „Heimkehr“ präsentiert Yuriy Ivashkevich heute mit dieser Ausstellung die Essenz seiner Arbeiten, die er in den letzten Monaten schuf.
Inspiriert vom diesjährigen ungewöhnlich kalten und schneereichen Winter, der ihn an seine weißrussische Heimat erinnerte, gestaltet er Bilder imaginärer Landschaften durchweht von einer ganz eignen melancholischen Poesie.
Anders als erwartet sind seine Bilder keine Plein-Air Arbeiten. Der Entstehungsprozess ist vielmehr mit einer Komposition vergleichbar, bei der der Künstler – einem Musiker gleich – zwar die grundlegende Melodie kennt, die Klangfarben indessen in mehreren Phasen zusammenstellen muss.
Yuriy Ivashkevich beginnt mit dem großflächigen Auftragen blauer Farbflächen für den Himmel, bräunliche oder winterweiße Farbflächen für Erde, violette bzw. rote für die Morgen- bzw. Abenddämmerung, eine Arbeitsweise, der bereits William Turner gern nachging.
Es folgt die Feinabstimmung, das Auftragen der Wald-, Wasser-, Wolken- und Lichtflächen.
Auch hier arbeitet der Künstler anders als vorgestellt. So sind seine Malutensilien sind nicht Pinsel, sondern Walzen, Schaber und Spachtel. Yuriy Ivashkevich rollt die Farben auf das Papier, kratzt hier weg, ergänzt dort, – ein Prozess, dem das langsame Trocknen von Ölfarbe entgegenkommt.
Das Aufrollen der Farben auf den glatten Bildträger – das Papier – ergibt einen zusätzlicher Effekt, bei dem die Bilder an gemalte Abzüge von Fotos oder Fotoplatten erinnern, ein Resultat, das durchaus gewollt ist, mit Fotorealismus allerdings nichts zu tun hat.
Das Bild ist für den Künstler dann vollendet, wenn das Zusammenspiel der Farben und Formen in sich stimmig ist, das Bild eine Grundstimmung erhalten hat.
Um das entscheiden zu können, ist ein permanentes Studium der Natur nötig. Yuriy Ivashkevich kann aus dieser Erfahrung schöpfen.
William Turner umreißt das Studium eines Landschaftsmalers in seinen Vorlesungen wie folgt:
„Was an einem Tag einer Ursache zu gehorchen scheint, wird am nächsten Tag durch eine andere Atmosphäre zunichte gemacht…wie glücklich ist …. (der) Landschaftsmaler, wie erregt ihn…jede Verwandlung der Natur. Die Bewunderung und Ergründung (der Natur) fordern von ihm in seinem Geist, jeden Wechsel von Ort und Zeit zu speichern.“
Für Yuriy Ivashkevich fordert darüber hinaus „Die Zwiesprache mit der Natur“, „ denn sie erdet den Menschen, bringt ihn zum Elementaren zurück.“
Deshalb auch möchte der Künstler seine Kompositionen interpretiert wissen.
Anhaltspunkte dazu gibt Yuriy Ivashkevich in einer subtilen Symbolik: Verhüllte Dörfer, erhellte Städte in der Ferne, – sie sind Zeichen von Zivilisation, Heimat, Behausung, Verwurzelung und Geborgenheit.
Sie stehen im Kontrast zu den undurchdringlichen Wäldern, weiten Ebenen, schroffen Felsen, tiefen Seen, dem Wilden und Ursprünglichen.
Unter einem weiten Himmel, einem tiefen Horizont entfaltet sich eine ungezähmte wie erhabene, gefährliche und wie faszinierende Landschaft.
Vereinzelt zieht ein einsamer Wanderer durch das Bild. Er steht in Konfrontation mit der grenzenlosen Natur als – wie Heinrich von Kleist zu einem Bild von Caspar David Friedrich sagte – „der einzige Lebensfunke…der einsame Mittelpunkt“.
Einsamkeit gehört als dauernder Zustand zum Wesen des Menschen. Heute wird Einsamkeit gern mit allen Mitteln verdrängt. Für Yuriy Ivashkevich ist dies unbegründet, er begreift Natur als „Heimat“, das Alleinsein in der Natur als heilend Und so darf auch die Jahreszeit – der Winter – im Gegensatz zur gängigen Deutung – in dieser Ausstellung nicht als Symbol des Todes gesehen werden.
Die kalte Jahreszeit erlaubt vielmehr eine Reduktion der Welt auf das Wesentliche. Das Weiß des Schnees bringt die pure Schönheit der Natur auf den Punkt.
Das Thema dieser Ausstellung „Heimkehr“ ist Programm. Es ist die Rückbesinnung des Künstlers auf seine Wurzeln: die heimatliche Umgebung, das vertraute Klima, die natürliche Stille, die emotionale Geborgenheit.
Uns lassen Yuriy Ivashkevichs Arbeiten an Motive der deutschen Romantik denken, insbesondere an die wohldurchdachten und tiefsinnigen Bilder von Caspar David Friedrich, – Bilder wie der „Mönch am Meer“ oder der „Abend“.
Vor dem Hintergrund einer sich auflösenden, technisierten und materialistischen Gesellschaft forderten die Romantiker des 19. Jahrhunderts die Wertschätzung einer – wie sie meinten – durch und durch beseelten Welt.
„Die Welt muss romantisiert werden“ sagte damals Novalis. Man müsse lernen, die Poesie unseres Daseins vom Grashalm bis zum Gletscher zu entdecken. „So findet man“, sagt Novalis, „den ursprünglichen Sinn wieder…“
Meine Damen und Herren, Zum ursprünglichen Sinn zurückführen möchte auch Yuriy Ivashkevichs Ausstellung „Heimkehr“. Freuen Sie sich heute Abend auf poetische Landschaften, voller leuchtender Farbenpracht, technischer Finessen und kontemplativer Gedanken.
Ich wünsche dem Künstler und der Ausstellung den verdienten Erfolg.