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Romantik im Werk von YuriY Ivashkevich Dr. Beate Maria Matuschek
Yuriy Ivashkevich kennt keinen kreativen Stillstand. In steter Auseinandersetzung mit der Landschaft zeigen seine Arbeiten immer wieder neue überraschende Momente, mal in der Technik, mal im Kolorit und Stil. Naturimpressionen, die er aus seiner alten Heimat Weißrussland, den Studienreisen nach Italien, Frankreich und Spanien, aber auch von den Wanderungen rund um sein neues Zuhause im Taunus mitbringt, setzt er in intensiven Farbkompositionen um.
Yuriy Ivashkevich will die „Grundstimmung einer Landschaft zum Erklingen bringen“, indem er das vom Klima geformte Erscheinungsbild auf elementare Farben reduziert. Es verwundert deshalb nicht, dass Farbassoziationen an wolkenlose Himmel, bräunliche Erdböden, winterweiße Ebenen, rotglühende Morgendämmerungen oder violette Abendstimmungen die Basis seiner Arbeiten bilden. Großflächig werden die Ölfarben zunächst auf das grundierte Papier gewalzt, um dann in immer neuen Farbabstufungen als Wasser-, Wald- oder Lichtflächen herausgearbeitet zu werden. Das langsame Trocknen der Ölfarbe kommt dem Künstler, der an seinem Werk während des Entstehungsprozesses stetig Veränderungen vornimmt, entgegen.
Kontraste zwischen warmen, erdigen Tönen auf der einen oder kalten Nuancen („Windiger Tag“, 2011) auf der anderen Seite erhöhen die Dramaturgie der abstrakten Farbkomposition. Das abschließende Hinzufügen von Figürlichem – einem Haus oder Wanderer – ist für ihn eine Reminiszenz an den Betrachter, aber auch ein beabsichtigter ikonographischer Anhaltspunkt zur Deutung des Bildes. Das Werk ist vollendet, wenn es die für den Künstler „wahre Stimmung“ zum Ausdruck bringt.
Ivashkevichs Bilder reflektieren die Natur in ihrer paradiesischen Ursprünglichkeit, fern einer erbarmungslosen Gesellschaft und ihren Auswüchsen, den großen Städten, die er – wenn überhaupt – aus der Vogelperspektive („Lichter der großen Stadt“, 2008) darstellt.
Einsame Häuser und Dörfer dagegen sind Metaphern positiver Befindlichkeiten wie Behausung, Verwurzelung, Geborgenheit und Gemeinschaft. Sie stehen im Kontrast zu den undurchdringlichen Wäldern („Winterlicht“,2008), weiten Ebenen („Winter“, 2010), schroffen Felsen („Silbernen Hang“. 2007), tiefen Seen („Beim Angeln“, 2008), dem Wilden und Ursprünglichen einer ungezähmten, erhabenen Landschaft.
Vereinzelt zieht ein einsamer Wanderer auf dem „Heimweg“ (2009) durch das Bild. Er ist inmitten der grenzenlosen Natur – wie Heinrich von Kleist zu dem Bild „Der Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich bemerkte – „der einzige Lebensfunke…der einsame Mittelpunkt“.
Einsamkeit gehört als dauernder Zustand zum Wesen des Menschen, der nach Ansicht des Künstlers heute mit allen Mitteln verdrängt wird. Für Yuriy Ivashkevich ist dies unbegründet. Er begreift Natur als Heimat, das Alleinsein als heilend. Waren Einsamkeit, Stille und Melancholie in der Romantik Möglichkeiten, das Göttliche zu erfahren, so wird Landschaft für Ivashkevich zu einem emotionalen Naturerlebnis, zum Mittel der Kontemplation und Besinnung.
Der Wandel der Natur im Kreislauf der Tages- und Jahreszeiten, das helle, frische Frühlingsgrün („Frühling im Wald“, 2009), die goldgelbe Wärme einer Sommerlandschaft („Goldener Abend“, 2009), der glühende Farbteppich eines Herbstwaldes („Herbst“, 2010) oder der nuancenreiche Glanz des Winterschnees, Yuriy Ivashkevich setzt das Erhabene und Schöne in Szene, er poetisiert im Sinne von Novalis die Welt.
Neue Landschaftserlebnisse erschließen sich Yuriy Ivashkevich bei seinen Aufenthalten in Südeuropa. War die Atmosphäre im feuchten Norden von Dunst und Nebel durchzogen, so bringt die Sonne nun die erhitzte Luft zum Vibrieren. Bilder in der Reihe „Reise des Träumers“ reflektieren intensive Farberlebnisse, in denen das Licht dominiert. Hier trifft das satte Blau des Himmels auf karge Bodenformationen (Blatt X) oder gleißende Baukörper (Blatt IX). Mitunter flanieren bunt gewandete Damen durch das Bild (Bild XIX), die flirrenden Spiegelungen ihrer Kleider lassen an eine Fata Morgana denken. An anderer Stelle durchquert eine Reiterin auf einem Schimmel ein dichtes Blütenmeer (Bild XX) oder aber der Wind wirbelt ein Sonneblumenfeld auf und gibt den Blick auf ein scheuendes Pferd frei (Bild XXIV).
In der stagnierenden Hitze des Südens rücken kleine Naturschauspiele ins Zentrum der Aufmerksamkeit. So wird eine Schönwetterwolke über einem Meer von Hausdächern ebenso zu einem stillen Ereignis wie die rote Blüte eines Kaktus vor der nächtlichen Weite des Kosmos. Traumbilder wie diese zeigen eine lichtdurchflutete, zeitlose Landschaft, die zwischen Himmel, Wasser und Erde zu schweben scheint.
Yuriy Ivashkevichs fotorealistisch anmutende Landschaften sprechen den Betrachter mit allen Sinnen an. Die ereignislose Stille der Natur wird im Bild hörbar, die klirrende oder erhitzte Atmosphäre der Luft spürbar. Das Herauskristallisieren eines Natureindrucks im Bild sinnlich erfassbar zu machen, ist die besondere Herausforderung, die der Künstler durch sein permanentes Studium der Natur erwarb.
„Die Zwiesprache mit der Natur erdet den Menschen, bringt ihn zum Elementaren zurück“, erklärt Ivashkevich und steht damit in der Tradition des großen englischen Landschaftsmalers der Romantik, William Turner.
Eine intensive Wahrnehmung der Welt verstärkt das subjektive Erleben der Natur, Yuriy Ivashkevich sublimiert sie in faszinierenden postromantischen Bildwerken.