Rede zur Ausstellung „Sonntagsspaziergang“ von Yuriy Ivashkevich
am 1. April 2022, in der Alten Kirche Hornau von
Andrea Simon, Künstlerin, Kuratorin.
Von der Schönheit, auch in schwierigen Zeiten
Ich sitze unter einem Walnussbaum, neben mir gluckert ein Bach, glänzende, gelbe Sternchen drücken sich aus der Wiese ins Licht, Ameisen bauen eine Straße entlang der Wurzel. Wo bin ich? In einem Ivashkevich Bild? – Hummel, Specht und Schritte auf Sand, die sich entfernen … Es ist egal wo ich bin. Ich bin da. Und es ist schön. Die einfache Wahrnehmung in der Natur zu sein führt rasch zu der Wahrheit DIE NATUR zu sein. Das, was ich aufnehme aus dem Raum, selbst zu erfüllen. Die Natur ist „die donnernde Leere“, von der die Buddhisten sprechen. Yuriy Ivashkevich hat sie erkannt. Ob er es weiß? Das spielt keine Rolle, denn es wirkt offensichtlich in ihm, gerinnt in jedem Farbtropfen seiner à la prima- und Lasuraquarelle, als ein Inselchen unter hunderten. Alles bleibt transparent, durchleuchtend, kein Deckweiß. Was uns weiß entgegen leuchtet, ist das reine Papier – „die donnernde Leere“! Freigehalten mithilfe von Maskierflüssigkeit, als ob es ein Spiegel wäre des leeren, weißen Ateliers in Frankfurt, welches Ivashkevich sich schafft, um unabgelenkt, den Raum im Rücken, seine Vorstellung, sein Spüren in Malerei zu verwandeln. Eine Kontemplation, die uns im Alltag oft fehlt, denn im Gegensatz zur künstlerischen Praxis, schwimmen wir geradezu in selbstgemachten und sozialen Maskierflüssigkeiten, die wir über unser erodierendes Dasein kippen. Die Reflexe des fließenden Wassers spielen mit Schatten. Mein Himmel ist blau, so makellos blau wie in den Bildern des Künstlers. Es ist der Kosmos von Yuriy Ivashkevich, der die Essenz seiner Malerei ausmacht. Sein bildgewordenes, tiefes Verständnis der Natur und ihrer Kräfte. Kräfte, die trotz der Störungen die sie erleiden, hier ihre überwältigende Großartigkeit beweisen und Menschen, überhaupt die Zivilisation, eher klein und beiläufig erscheinen lassen. In den Bildern sich entfernend, sich verlierend im Sonntagsspaziergang. Aber alles zusammen ist schön, wahrhaftig schön. „Schönheit verhilft dem Gedanken zur Geburt, denn unsere Seele neigt sich der Schönheit zu.“, sagt Platon. Und Peter Sloterdijk sagt sich ergriffen, angesichts der Schönheit des David von Michelangelo: „Du musst dein Leben ändern!“ Betrachten wir die Sonntagsspaziergänge von Yuriy Ivashkevich, empfinden wir den Titel vielleicht als Understatement angesichts der sich farbintensiv ausgießenden, alles erfüllenden Pracht der Bäume und Hecken. Ja, wir sind auch noch da, und ja, wir müssen unser Leben ändern und die Natur auf diesem Planeten nicht weiter angreifen. Denn dergestalt infiziert durch unsere zivilisatorische Barbarei, wird sie sich wehren, sie tut es bereits. Es liegt eine gewisse Magie in den kleinen Formaten, die diese Idee von Naturkräften, die sich ihren Raum zurücknehmen, interpretiert. In der Realität sprechen wir eher von Naturkatastrophen. Aber bei Ivashkevich gibt es auch die malerische Dimension einer Vorstellung, durch Natur geschützt zu sein, eingebettet in ihre heilsame Lebendigkeit. Diese Bilder irritieren vielleicht, was aber ihren Reiz steigert. Bei einem Kaffee in seinem Atelier befragt, erzählt Yuriy Ivashkevich, er habe einmal eine Pause vom Öl gebraucht und meint damit die Ölmalerei, für die er vor allem bekannt ist. Aquarelle jedoch seien nicht neu, immer wieder habe er Aquarelle in Arbeit und schon als Kind mit dieser Technik begonnen. Auch wir Besucher machen gerne eine Pause von den schwerwiegenden Eindrücken unseres Lebens, z.B. bei einem Sonntagsspaziergang, der Leichtigkeit des Absichtslosen, der Erdung in der „donnernden Leere“, im Atem der Schönheit.
Ach, hätten wir das doch immer…
Ach, hätten wir das doch immer…
Ich danke Ihnen
Andrea Simon 1.4.2022